Geschwisterliebe

Kleinkind und Baby nebeneinander auf gemustertem Tuch
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Es gibt wohl keine Beziehung, die uns tiefer berührt, die näher, schöner, schwieriger, süßer, glücklicher, trauriger, und erfüllter von Freude und Leid ist, als die Beziehung zu unseren Brüdern und Schwestern.

Jeffrey Kluger, Ted Talk

Neulich habe ich drei Stunden mit meiner Schwester telefoniert. DREI STUNDEN. Das gab es schon lange nicht mehr. Selbst in Zeiten von Corona haben wir das noch nicht hingekriegt. Als sie anrief, waren der Mole und ich eh gerade auf dem Sprung für einen Spaziergang an der frischen Luft, da nehmen wir sie doch einfach mit: Kopfhörer ins Ohr und los gehts.

Und analog zu unserem Spaziergang verläuft auch das Telefonat. Zu Beginn quatschen wir über die Woche, wie es uns geht und was so los ist. Dann tauschen wir uns kurz über unsere Eltern aus, wer als letztes was von Mama oder Papa gehört hat. Ich erzähle Anekdoten aus meinem Eheleben, sie erzählt aus ihrer Partnerschaft und während der Mole und ich weit draussen in den Weinbergen herumstreifen, kommen meine Schwester und ich vom hundertsten ins tausendste. Die Zeit verweht, wie der Wind um unsere Nasen, und wir schreiten und erzählen uns weiter und weiter.

Und es tut sooo gut. Obwohl meine Schwester und ich unterschiedlicher nicht sein könnten, wir jeder unser eigenes Päckchen zu tragen haben, in gänzlich verschiedenen Lebenssituationen stecken und unsere Interessenbereiche eher wenige Schnittpunkte haben, sind wir uns doch irgendwie ähnlich, sind vom gleichen Schlag. Wir sind bei einer psychisch kranken Mutter aufgewachsen und haben beide unseren Weg gesucht damit umzugehen. Das hat uns zusammengeschweißt! Wenn familiär bedingt Sorgen, Frust, Ratlosigkeit oder Erschöpfung aufkommen, ist die Schwester der beste Ansprechpartner. Wir halten zusammen, machen uns Mut, zeigen Verständnis und unterstützen uns gegenseitig. Wir verstehen uns ohne große Worte. Wir lachen über die gleichen Witze. Streiten tun wir eigentlich gar nicht (mehr).

Wenn ich an meine Schwester denke, bauscht sich eine äußerst vielseitige Gedankenblase auf. Mir huscht ein Grinsen über die Lippen, wenn ich daran denke, was unser Geschwisterverhältnis ausmacht:

Wenn man das Beste für den anderen will, wenn es einen schmerzt, dass es dem anderen nicht gut geht. Wenn man sich über alles austauschen kann. Wenn man ehrlich seine Meinung sagen kann. Wenn man für seine Ansichten nicht verurteilt wird. Wenn man nicht neidisch ist, obwohl man allen Grund dazu hätte. Wenn man dem anderen von Herzen alles gönnt. Wenn man an das Gute im anderen glaubt. Wenn wenig mehr als genug ist. Wenn man sich nicht beweisen muss. Wenn man unterstützt wird, egal welchen Weg man einschlägt. Wenn man die Entscheidungen des anderen respektiert. Wenn man den anderen einfach machen lässt. Wenn man von gemeinsamen Erinnerungen zehrt. Wenn man unterschiedlicher nicht sein könnte und sich trotzdem ähnelt. Wenn man in Filmzitaten spricht und sich dabei so richtig kaputt lacht. Wenn der Kaffee nie ausgeht. Wenn man sich versteht. Einfach so.

Geschwisterforschung – Das Besondere an Geschwistern

Woher kommt das denn eigentlich, dass die Geschwisterbeziehung eine der engsten und vertrautesten überhaupt sein kann? Natürlich verbringt man eine Menge Zeit mit den Geschwistern, aber es gibt ja auch andere Menschen, mit denen man viel Zeit verbringt?! Nach ein wenig Recherche bin ich auf die folgenden Fakten über Geschwisterbeziehungen gestoßen:

  • „Geschwister, die gemeinsam traumatische Ereignisse erleben, sei es die Scheidung ihrer Eltern oder der plötzliche Verlust eines geliebten Menschen, behalten die Fähigkeit bei, ihre Differenzen beiseite zu legen und vereinen sich um sich gegenseitig zu stärken und zu unterstützen. Sie kämpfen sich durch schmerzende Situationen, erleben harte Lektionen des Lebens mit einem stabilen Unterstützungssystem und wachsen oft enger zusammen als jemals zuvor.“ (vgl. Alena Hall, Huffpost)
  • „Geschwister lehren einander Konfliktvermeidung und Konfliktlösung, wann man sich behaupten muss, wann man aufgeben soll. Sie lernen Liebe, Treue, Ehrlichkeit, zu teilen und sich zu kümmern, Kompromisse zu schließen, Geheimnisse zu verraten und, was noch viel wichtiger ist, Vertrauliches zu bewahren.“ (Jeffrey Kluger, TED Talk)
  • Wenn Geschwister sich abends vor dem Einschlafen noch bis spät in die Nacht hinein unterhalten, sollte dies im besten Fall der Beginn einer Unterhaltung sein, die „für den Rest ihres Lebens weitergeh[t]. Daraus wird ein Gefühl der Beständigkeit entstehen, das Gefühl, einen ständigen Reisegefährten zu haben, jemanden, mit dem man das Leben erprobt hat, ehe man die Reise allein antreten musste.“ (ebd.)
  • Schwestern rufen sich öfter an und sehen sich öfter als andere Geschwisterpaare. (vgl. theguardian)
  • Die Beziehung zu unseren Geschwistern ist die, die im Leben am längsten andauert. Etwa 25 Jahre länger als die mit unseren Eltern, Kindern und Ehepartnern. Und abgesehen von ein ganz wenigen Ausnahmen auch länger als die Beziehung zu unserem besten Freund/unserer besten Freundin. (vgl. Huffpost)
  • „Seit ihrer Geburt sind unsere Brüder und Schwestern unsere Mitarbeiter und Mitverschwörer, unsere Vorbilder und warnenden Geschichten. Sie sind unsere Schelten, Beschützer, Stacheln, Peiniger, Spielkameraden, Berater, Quellen des Neides, Objekte des Stolzes. Sie lehren uns, wie man Konflikte löst und wie man es nicht tut; wie man Freundschaften schließt und wann man sich von ihnen entfernt. Schwestern unterrichten Brüder über die Geheimnisse der Mädchen; Brüder unterrichten Schwestern über das Rätsel der Jungen.“ (Time)

Da kommt mir schnell die Frage auf: Was oder vielmehr Wer wäre ich wohl ohne meine Schwester? Wer weiß das schon…?! Aber sicher bin ich mir, dass mir ohne sie meine beste und loyalste Mitstreiterin gefehlt hätte. Meine Beschützerin, meine Spielkameradin, meine Vorleserin, mein Fernsehbuddy am Samstagmorgen, wenn wir uns in aller Frühe schon ins Wohnzimmer geschlichen und heimlich das Kinderprogramm von Tom & Jerry bis zum Tigerentenclub geschaut haben. Meine Schwester, die weiß, was wir durchgemacht haben. Danke, dass du da bist.

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Was macht deine Geschwisterbeziehung aus? Ist sie gut oder eher angespannt? Oder hast du vielleicht gar kein Geschwister und hättest dir immer eins gewünscht? Oder auch nicht?

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